Diese Frage begegnet mir immer wieder und lass mich eines gleich vorweg nehmen: nur Gutes! Zumindest in meiner Praxis von alles du. Wenn Menschen das erste Mal zu mir kommen, dann ist das ein ganz aufregender Moment. Zum einen kommt dieser Mensch mit einem großen Bündel an Themen und Gedanken und ist aufgeregt, weil er hofft, alles richtig zu erzählen. Zum anderen geht es mir so: Während mein Gegenüber schon Zeit hatte, mich auf meiner Website oder bei Instagram kennenzulernen, treffe ich in jeder Erstsitzung auf einen mir unbekannten Menschen. Das ist ein bisschen wie ein halbes Blind Date nur ohne Date.
Ich vertraue in diesem Moment auf drei Dinge: Zum einen darauf, dass dieser Mensch, der zu mir kommt, schon an meiner Art angedockt hat, die er kennenlernen durfte. Zum anderen vertraue ich auf meine besten Werkzeuge: mein Gespür für Menschen & Momente, um dann diesen ersten Moment in ein Gespräch zu lenken. Und dann passiert etwas, das mich immer und immer wieder auf’s Neue fasziniert und mit Freude erfüllt in meiner heutige Arbeit als Wegbegleiterin. Was das genau ist? Das erzähl ich dir gleich.
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Es ist wirklich ein magischer Moment, wenn jemand mit all dem, was er oder sie mit sich herumgetragen hat, das erste Mal an einem geschützten Ort Raum & Zeit für sich bekommt. Dann fällt alles ab. Dann wird alles Äußere erstmal nebensächlich. Dann kann das Ungeordnete eine eigene Struktur finden und das Schwere bekomme die Chance durchzuatmen und erleichternde Leichtigkeit zieht ein.
Auf Tauchgang
Ganz häufig fließen am Anfang Tränen. Häufig ist es dem einen oder der anderen ganz mit Scham belegt. Öfters höre ich dann: ‚Ich hatte mir so vorgenommen nicht zu weinen!‘. Und dann fließen sie doch und das ist gut so! Denn wenn Tränen fließen, dann kommen Körper und Seele wieder in einen Fuß. ‚Wenn Tränen fließen, dann baut der Körper Stress ab!‘, erkläre ich dann gern. Ist das nicht wunderbar? Und dann folgen wir der Frage, was diese Tränen oder grundsätzlich das Thema, mit dem jemand kommt, eigentlich erzählen. Wir gehen auf Tauchgang. Auf Tauchgang nach dem, was da ist – noch nicht danach, wo vielleicht Lösungen liegen, nein, nein. Wir begeben uns auf eine Spurensuche und folgen der Spur der Tränen und der Spur der Themen.
Was im Erstgespräch passiert, ist ganz und gar mit einer Entdeckungsreise zu vergleichen, in der die Dinge auftauchen, die genau in dem Moment ganz und richtig und wesentlich sind. Alles Unwesentliche ist schon beim Betreten der Praxis abgefallen. Und genau diese Entdeckungsreisen, die in einem Erstgespräch beginnen, sind es, die meine Arbeit für mich so wertvoll machen. Ich bin zutiefst dankbar dafür, immer und immer wieder in Geschichten von Menschen eintauchen zu dürfen. Doch was passiert dann?
Erste Funde
Wenn wir losgehen und den Geschichten Raum und Zeit geben, sie da sein dürfen, dann passiert vor allem Folgendes: Der innere Druck fällt ab. Wir kommen ins Erzählen und das fühlt sich gut und leicht an. Dabei entdecken wir schon erste wesentliche ‚Funde‘, die ganz und gar zu der Lebensgeschichte des Menschen vor mir gehören. Gerade im Erstgespräch kommen oft genau die Fundstücke zum Vorschein, die uns in späteren Gesprächen wieder begegnen werden. Gerade deshalb fokussiere ich mich im ersten Gespräch ungern schon auf nur ein Fundstück, sondern ermutige dazu, nochmal und nochmal abzutauchen. Diese ersten ‚Tauchgänge‘ sind also ein ganz wesentlicher Bestandteil einer Wegbegleitung. Auch deshalb nehme ich mir dafür wirklich viel Zeit. So bringen wir immer mehr Fundstücke nach oben. Manche liegen schon etwas tiefer, manche sind gleich unter der Wasseroberfläche zu finden – ganz egal: sie sind nicht ohne Grund da und wollen gehoben werden.
Weiter auf Entdeckungsreise
Im ersten Gespräch streifen wir oft ganz viele Themenbereiche. Das erscheint dem einen oder der anderen dann manchmal als ‚verwirrend‘ oder ‚unstrukturiert‘ – aber das sehe ich etwas anders, denn all diese Themen gehören ja zu dem Menschen dazu. Und da gibt es wirklich viel zu entdecken. Erst, wenn wir unseren Blick weiten und wirklich auf Entdeckungsreise gehen in den verschiedenen Stadien einer Lebensgeschichte, erst dann fallen Parallelen auf, ja, Gemeinsamkeiten oder markante Besonderheiten. Deshalb ist es ganz und gar in Ordnung, wenn gerade das Erstgespräch scheinbar strukturlos verläuft – es führt immer zum Wesentlichen.
Erste Schätze finden
Nämlich, dass wir Schätze finden. Und was ist ein Schatz im therapeutischen Kontext? Nun egal, ob es Erfahrungen, Prägungen, Verhaltensmuster, Antreiber oder (negative) Glaubenssätze sind – die uns scheinbar unser Leben heute schwer machen (denn dafür kommt ja jemand in Therapie) – sie alle wollen gehört und verwandelt werden. Warum? Ich glaube, dass das Leben möchte, dass es uns gut geht und genau deshalb schickt es uns in Krisen. Denn in Krisen haben wir die unvergleichliche Chance, all das zu verändern, was uns heute nicht mehr zuträglich ist. Und dann statt den alten Mist weiter mit uns rumzutragen, können wir lernen uns selbst so zu lieben und wertzuschätzen, dass wir das Alte über Bord werfen. Und wenn wir diese alte Hülle, das Angelernte, die Muster, Prägungen, Verletzungen und negativen Glaubenssätze über Bord geworfen haben, dann bleibt das Wesentliche übrig: nämlich dass jeder von uns ein einzigartiger, unvergleichlich wertvoller Mensch ist mit ganz vielen Schätzen, die nur verdeckt wurden. Im Erstgespräch bekommen wir eine Ahnung davon, wie wertvoll wir sind – weil sich die ersten Schätze – zwar noch etwas verhüllt aber dennoch sichtbar – zeigen.
Die Frage nach dem Kompass
Und dann, ja dann frage ich im ersten Gespräch auch immer nach dem Kompass, um mal zu schauen, wo denn der gerade ist. Denn die meisten Menschen kommen ja, weil sie das Gefühl haben, nicht mehr zu wissen, wo es hingeht und was sie brauchen. Dabei haben sie das beste Werkzeug tief in sich selbst drin. Nur wo ist es? Manchmal hat der ein oder die andere den eigenen Kompass verlegt oder irgendwo vergessen und hört ihn gar nicht mehr. Was dann hilft? Wir bitten die Sehnsucht um Unterstützung, denn die Frage nach der eigenen Sehnsucht lässt den inneren Kompass aufhorchen. Und dann macht er sich bemerkbar. Wir bekommen eine Ahnung, wo der Kompass sein könnte. Spannend. Und dieses Hinhören und Ahnen, dass der innere Kompass doch noch da ist – das macht ganz viel und vor allem: Hoffnung.
Und wenn dann nach ca. eineinhalb Stunden diese große erste Reise vollbracht ist, dann gesellen sich sogar ein, zwei Gefühle hinzu: Erleichterung und manchmal auch ein wenig Freude. Erleichterung darüber, dass all das endlich mal da sein durfte und Freude darüber, einen guten ersten Schritt zurück zu sich selbst gesetzt zu haben. Und das sind wahrhaftig Gefühle, die uns in eine ganz andere Schwingung bringen und in ihrer Schwingung in uns allein schon heilsam sind. doch das ist wieder eine andere Geschichte, die ich auch gerne ein anderes Mal erzähle.
Hör dir endlich zu.
Das kannst du.
alles du.
Von Herzen,
Evelyn
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